Es ist dunkel. Minutenlang versuche ich zu erkennen, wo der Bühnenboden aufhört und der Musselin anfängt. Unruhe, Beklemmung erfasst mich. Wie weit kann Wahnsinn reichen?

„Die Zofen“ ist ein Einakter Jean Genets, in dem zwei Dienstmädchen abwechselnd die Rolle von Herrin und Dienerin spielen und ins Äußerste treiben. Gleichzeitig planen sie, wie sie die Herrin umbringen.

Das ist die formale Seite. Die emotionale ist: Energie. Die Darstellerin brüllen, schreien, Körper und Stühle werden umhergeworfen und Körperflüssigkeiten fließen, Apfelmus ist nur die Spitze des Ganzen. Nach einer halben Stunde wusste ich nichtmehr, wohin all diese Kraft führen würde, erwartete mit Grusel den nächsten Ausbruch. Nach zwei Stunden war ich erschöpft. Weniger, weil mich die Geschichte in ihre Welt gezogen hat, sondern weil ich fühlte, dass es keinen Ausweg aus der Verzweiflung gibt.

Das Universitätstheater Halle lässt die Figuren in einem Altenpflegeheim spielen, was den Machtkonflikt verstärkt. Dass Menschen, die Hilfe benötigen, manipuliert werden, ist verstörend. Das Problem wirkt plötzlich klarer und schrecklicher.

Der Ausweg aus der Dunkelheit war das Nachgespräch, das wir in wunderschönem Sonnenuntergang führten.

Wie geht man als Ensemble mit der Gewalt um? Wie nah lässt man die Figuren an sich heran? Die Spielerinnen beantwortete das mit: Proben. Den ersten Monat haben sie improvisiert und Grenzen ausgetestet, sodass auch gefährliche Szenen (eigentlich) nicht gefährlich sind. Durch das „Spiel“ konnten die Darstellerinnen eine Linie zwischen sich und der Rolle ziehen. Verstehen könnten sie ihre Figuren, sagten die drei, aber mehr nicht. Je tiefer man in den Stoff taucht, desto absurder und schrecklicher würde er.

Auch die Geschlechterfrage wurde wieder aufgeworfen. Genet hatte das Stück (wahrscheinlich) für drei Männer in Frauenrollen vorgesehen, auf der Bühne sahen wir drei Frauen unter der Regie eines Mannes. Macht das für das Ensemble einen Unterschied? Auch hier eine klare Antwort: Nein.

Zum Schluss gab es einen Impulsstrauß für die Spielerinnen und (sehr leckeres!) Essen für alle.
Den Abend ließen wir mit Marshmallows über dem Lagerfeuer ausklingen. Energie tanken – für Tag 3!

PS: Das Dessert am Abend bestand NICHT aus Mascarpone, sondern aus Jogurt und Sahne ☺

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